11
Mai

Von einer externen Krise zur nächsten – hört das denn niemals auf?

– Thomas Balgheim, Management Consultant & Coach, Balgheim Consult

Die Harvard-Wissenschaftler Anthony Mayo und Nitrin Nohria befragen in einer Langfriststudie seit über 20 Jahren mehr als 1000 Unternehmen regelmäßig zu Krisensituationen. Während in der Vergangenheit ein Unternehmen im Schnitt alle 10 Jahre in eine existenzgefährdende Krise geriet, waren in den letzten Jahren fast nur noch Krisensituationen zu bewältigen. Krisen, die in der Regel ihre Ursache außerhalb des Unternehmens hatten: Finanzkrise, Corona, Lieferketten. Hinzu kommen massive Veränderungen wie Nachhaltigkeit oder Klimakrise und neue Technologien wie KI. Es ist aber leider nicht davon auszugehen, dass die Zeiten längerer Ruhephasen zurückkehren. Im Gegenteil, wir sind in einer Phase disruptiven Wandels.

Es hat diese Phasen zuvor gegeben, oft dann, wenn disruptive Technologien die bestehende Ordnung massiv veränderten. Beispiele hierfür sind der Übergang in das Eisenbahnzeitalter oder der Siegeszug des Autos, auch der Beginn des Computerzeitalters. Oftmals gingen diese Phasen mit gesellschaftlichen Veränderungen, politischen und wirtschaftlichen Krisen sowie Veränderungen der Weltordnung einher. Diese sogenannten Kondratieff-Zyklen (benannt nach dem russischen Wirtschaftswissenschaftler und Erforscher dieser Zyklen) bedeuten immer eine Phase disruptiven Wandels. Wie bei allen historischen Betrachtungen, erkennt man erst im Nachhinein, das man am Anfang eines neuen Zeitalters war, als man alle diese Krisen zu bewältigen hatte. Trotzdem glaube ich, dass vieles darauf hindeutet, dass wir mal von dem Zeitalter der KI sprechen werden (oder wie immer wir es im Nachhinein nennen werden).

Doch was bedeutet das für Führungskräfte? Ist es nicht ihre Aufgabe das Unternehmen vor Krisen zu bewahren und Orientierung zu geben? Wie soll das gehen in einer Zeit disruptiven Wandels? Mayo und Nohria sprechen von der „kontextuellen Intelligenz“ als wichtigste Fähigkeit von Führungskräften in Zeiten der Veränderung. Es bedeutet das Unternehmen im „Kontext“ zu steuern und zu erkennen, welche Chancen und Risiken im Umfeld liegen. Es hat auch früher diese Betrachtung des Umfelds gegeben und war Bestandteil jeder guten Strategiearbeit. Allerdings gewinnen diese Betrachtungen eine viel wichtigere Bedeutung und gehören immer mehr zur Tagesaufgabe. Ein Beispiel ist die Betrachtung der KI. Viele Diskussionen drehen sich darum, wie ein Unternehmen sie für sich benutzen kann. Noch wichtiger ist aber die Betrachtung des Umfelds: Wo hat die KI das Potenzial Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle zu verändern? Im Rahmen einer Legal Tech Konferenz war man sich einig, dass es weiterhin Rechtsanwälte geben wird. Ob diese aber im Wesentlichen nach Stunden fakturieren und mit vielen Personen agieren werden, wurde von vielen in Frage gestellt. In diesen Veränderungen liegen die Risiken, aber auch die Chancen.

Da aber niemand sagen kann, welche Veränderungen am Ende kommen und wenn, in welcher Geschwindigkeit, empfiehlt es sich für das Unternehmen Beobachtungsebenen zu definieren. In diesen werden Veränderungen im Auge gehalten und Szenarien definiert, um für das Unternehmen Steuerungsimpulse abzuleiten. Typische Beobachtungsebenen sind in der Strategiearbeit schon immer Gesellschaft bzw. soziales Verhalten, Märkte, Demographie und Geopolitik gewesen. Technologie, insbesondere KI, und Nachhaltigkeit kommen als weitere Ebenen jetzt hinzu.

Beobachtung bedeutet auch, sich zu diesen Themen auszutauschen, in den Dialog mit anderen zu treten. Der Wirtschaftsgipfel Deutschland am 14. Juli in Fürth bietet dazu eine gute Gelegenheit.