Deutschland denkt sich neu – europäisch, innovativ, digital. Das war das Motto des diesjährigen Wirtschaftsgipfel Deutschland. Ein Motto, das für lebendige Diskussionen sorgte. Einmal mehr zeigte sich, dass das Format von persönlichen, fast intimen „Ask & Discuss-Runden, größeren Paneldiskussionen und fundierten Keynotes das Erfolgsrezept vom Wirtschaftsgipfel Deutschland sind. Wie schrieb „Die Deutsche Wirtschaft – Stimme des Mittelstandes“ in ihrem Nachbericht: „Der alljährliche ‚Wirtschaftsgipfel‘ hat sich zu so etwas wie einem ‚Davos für Deutschland‘ entwickelt.“
Wir müssen jetzt die Weichen stellen
Günther H. Oettinger, EU-Kommissar für Haushalt und Personal, sorgte mit seiner Keynote für das passende „Warm up“. Für ihn sind wir zu sorglos unterwegs und geben unsere Werte leichtfertig aus der Hand. In der aktuellen Situation, einer bipolaren Ordnung der Weltwirtschaft mit der Tendenz, dass China der USA den Führungsanspruch mehr und mehr streitig machen wird, braucht Europa eine Vision, einen Plan. China hat mit der Seidenstraße einen klaren Masterplan, aber was hat Europa, was hat Deutschland? Für ihn steht fest: Ein einzelner europäischer Staat hat keine Chance sich zu behaupten, gar eine Führungsrolle einzunehmen. Aber 28 „Zwerge“ können als Team einen Riesen bändigen, dazu braucht es allerdings eine Vision: „Wenn das 21. Jahrhundert auch von Europa (mit)gestaltet werden soll, dann müssen wir jetzt die Weichen stellen“, war sein dringlicher Appell.
Sport in der digitalen Welt?
Unterhaltsam und spannend waren die Paneldiskussion und das (Streit-)gespräch zum Thema „Wirtschaftsfaktor E-Sports und E-Football“. Die Panel-Teilnehmer, Dennis Thom, Borussia Dortmund, Holger Schwiewagner, SpVgg Greuther Fürth, und Martin Drust, FC St. Pauli, waren sich einig, dass man den gesellschaftlichen Wandel ernst nehmen und innovative Angebote entwickeln muss – schließlich geht es auch um den Fan von morgen. Und natürlich geht es auch um das Geschäft. Das machte Manfred Stoffers, Vorstand VDAI (Verband der Deutschen Automaten Industrie) klar. In Deutschland immer noch eine Randerscheinung ist E-Sports, oder weiter gefasst, E-Gaming international inzwischen anerkannt. Und ein Millionenmarkt, den man nicht außer acht lassen kann. Man sollte sich intensiv damit beschäftigen. Ob man E-Sports auch fördern sollte wie einen normalen Fußballverein oder Tischtennisclub, dazu hatte Peter Beuth, Hessischer Minister des Innern und für Sport, eine klare Meinung: Nein. Für ihn fehlen wichtige Kriterien. Nicht nur Bewegung und Gesundheitsförderung, vielmehr auch das Hoheitsrechts der Regelauslegung und die gesellschaftliche Aufgabe und Rolle von Vereinen. Beim E-Gaming, aber auch bei E-Football, sind es multinationale Industrieunternehmen die letztlich bestimmen, wohin die Reise geht – ihnen geht es, das sei ja auch deren berechtigtes Anliegen, um Gewinn. Für ihn hat Sport, insbesondere der Breitensport, aber andere Werte, die man bewahren sollte.
Um den Fachkräftemangel und um innovative Strategien, wie man ihm zu begegnen kann, ging es im XING-Podium „Fachkräftemangel in Deutschland – Wie sich Unternehmen jetzt aufstellen, um trotzdem die richtigen Köpfe zu gewinnen.“ Die Zusammensetzung des Podiums und die anschließende Ask & Discuss-Runde boten reichlich Mehrwerte für das Publikum. Nach einer Keynote von Alastair Bruce, Vorstand, XING SE, zu den Futuretrends im Arbeitsmarkt, diskutierten Martin Seiler, Deutsche Bahn, und Vanessa Weber, Werkzeug Weber, über ihre ganz individuellen Ansätze und Anforderungen. Diese wurden im Nachgang noch einmal mit dem Publikum vertieft.
Im Anschluss schlug Dennis Austinat von eToro ein neues Kapitel auf: Social Trading. Mit dieser neuen Art des Investierens über eine digitale Plattform – Anleger veröffentlichen ihre Meinungen zu Wertpapieren oder ihr gesamtes Portfolio in sozialen Netzwerken oder auf speziellen Plattformen, damit andere Anleger diese einsehen, kommentieren oder mit ihrem eigenen Vermögen nachbilden können – wird gerade Privatanlegern, die über wenig oder gar kein Wissen über die Finanzmärkte verfügen, die Möglichkeit geboten, immer mehr Kontrolle über ihr Geld zu gewinnen und an lukrativen Anlagemöglichkeiten teilzuhaben.
Um Digitalisierung ging es auch im nächsten Panel. Mariusz Bodek, KPMG Digital Hub, Bert Martin Ohnemüller, Coach und Buchautor, Nikolaus Dominik Helten, Arlanis Reply, und Christian Zander, Freedom Manufaktur, diskutierten über die Potenziale, die moderne digitale Strategien für Industrie, Gesellschaft und Politik bieten. Stichworte waren hier Smart Working, digitales Marketing oder künstliche Intelligenz. Bodek: „Wir müssen uns nicht verstecken, die Qualität der Forschung ist entscheidend.“ Allerdings wurde auch angemerkt: Technologien aus Deutschland werden schneller ins Ausland verkauft, als bei uns weiterentwickelt, da oftmals bei uns negative Rahmenbedingungen und Vorbehalte gegenüber der Technologie herrschen. Man sollte sie nicht ablehnen, sondern nutzen. Glück, Zufriedenheit und dauerhafter Erfolg entsteht aus Interaktion, die Technologie schafft moderne Infrastruktur. Man war sich einig: Es muss sich etwas verändern in der Gesellschaft, Vorbehalte und
Bedenken sollten einer Offenheit weichen. Denn die Digitalisierung wird sich nicht mehr zurückdrehen lassen – wir müssen sie gestalten. Dazu müssen wir sie verstehen und uns mit ihr beschäftigen.
Vor diesem Panel bot Michael Oelmann, Herausgeber DDW Die Deutsche Wirtschaft, noch sehr interessante Einblicke zu Hidden Champions und Familienunternehmen. Er skizzierte anhand von Analysen aus dem Weltmarktführerranking sowie der Liste der größten Familienunternehmen, was wirtschaftlich angesichts des viel diskutierten „Systemwechsels“ der Wirtschaft sowie der industriellen Veränderungen und der gesellschaftlichen Ansprüche auf dem Spiel steht.
Den Abschluss des diesjährigen Wirtschaftsgipfel Deutschland gestalteten Prof. Dr. Dr. h.c. Bert Rürup, Handelsblatt Research Institute, und Prof. Dr. Helge Braun, MdB und Chef des Bundeskanzleramts. Während Prof. Rürup in seiner Keynote „Der Herbst der überfälligen Entscheidungen“ die Herausforderungen deutlich machte und den Mut zu einer Wachstumspolitik eindringlich anmahnte, ging Prof. Braun auf das gerade beschlossene Klimapaket ein und erläuterte die Chancen der Digitalisierung, die sich in Deutschland und Europa böten. Die Investitionen in klimafreundliche Technik sind für ihn nicht nur vernünftiger, sie sind auf lange Sicht auch günstiger. Denn die „Strafen“ für das Nichteinhalten der beschlossenen Grenzwerte sind höher und fehlen als Investition in die Forschung. Und bei der Digitalisierung lenkte er den Blick auf die DSGVO. Für ihn sei niemand so recht glücklich mit der Digitalisierung, in China ist sie staatsgetrieben, in Amerika wirtschaftsgetrieben. In Europa steht der Mensch im Mittelpunkt. Wenn es uns gelingt, diese Werte in alle Welt zu transportieren, kann die DSGVO zum Erfolgsmodell werden – wie die soziale Marktwirtschaft, so der Chef des Bundeskanzleramtes.
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