Meinung und Hintergrund

Prof. Dr. Pascale Ehrenfreund: Zukunft gestalten - Innovation durch Forschung
3
Sep

Zukunft gestalten: Innovation durch Forschung

Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Pascale Ehrenfreund, Vorsitzende des Vorstands, Deutsches Zentrum für Luft- Raumfahrt. Sie eröffnet den Wirtschaftsgipfel Deutschland mit Ihrer Keynote „Die Zukunft liegt in den Sternen“ und diskutiert mit Manfred Jaumann, Airbus Space Systems Vice President, Head of Microgravity Payloads & Sounding Rockets, über den Innovator Raumfahrt.

„Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem stetigen und breit angelegten Aufschwung mit einem soliden binnenwirtschaftlichen Fundament.“ Das schreibt das BMWi in seiner jüngsten Konjunkturprognose. Warum ist beim Wirtschaftsgipfel Deutschland 2018 dennoch von „Stillstand“ in Deutschland die Rede?

Betrachtet man die Wirtschaftsentwicklung, so geht es tatsächlich schon seit einigen Jahren steil bergauf. Im Kontext der Herausforderungen Digitalisierung, Demografie und Globalisierung zeigt sich jedoch ein etwas anderes Bild. Im Bereich der Digitalisierung werden auf globaler Ebene bereits seit geraumer Zeit große Anstrengungen unternommen – jedoch nicht vorrangig in Europa, sondern anderswo auf der Welt. Dabei sehen wir einerseits eine massive staatliche Förderung in Ländern wie China oder Saudi-Arabien – mit Milliarden-Dollar-Investitionen. Andererseits erleben wir gewaltige Aufwendungen von privatem Risikokapital, welches zu Tech-Firmen, insbesondere in den USA und China, gezogen wird. Zurzeit kommen von den 10 größten Firmen der Welt 8 aus den USA und 2 aus China – 7 dieser 10 sind Tech-Firmen. Trotz starker Unternehmen, großartiger Forschungseinrichtungen und hervorragender Universitäten schaffen es Europa und auch Deutschland bisher nicht, mit dem globalen Tempo im Rennen um Innovation mitzuhalten.

Die demografische Entwicklung spielt Deutschland dabei nicht gerade in die Karten. Die alternde Gesellschaft ist sicherlich ein wichtiger Grund für den zunehmend spürbaren Fachkräftemangel in den MINT-Fächern. Hinzu kommt, dass bahnbrechende digitale Geschäftsmodelle häufig von jungen Menschen entwickelt werden, deren Zahl in Deutschland jedoch stetig abnimmt. Wie schwerwiegend das Problem des Fachkräftemangels ist, zeigt sich auch an anderer Stelle: Digitale Technologien haben die Besonderheit, dass man mit genügend Manpower und ausreichend Kapital in kürzester Zeit auch ohne entsprechende Basis eine technologische Vormachtstellung erreichen kann. Besonders eindrücklich zeigt sich dies am Beispiel der chinesischen KI-Landschaft: Bis Mitte der 1980er Jahre noch ein blinder Fleck auf der KI-Landkarte, verzeichnet China seit Ende der 1990er ein rasantes Wachstum und ist bis zum Jahr 2017 ungefähr auf Augenhöhe mit der bisher klar dominierenden „KI-Supermacht“ USA gelangt.

Welchen Weg können wir in Europa mit Blick auf digitale Technologien gehen? In vielen führenden Tech-Nationen sehen die Enthusiasten Technologie scheinbar als Selbstzweck. In einigen Ländern kommen auch digitale Technologien zunehmend als Mittel zum „Social Engineering“ zum Einsatz. „Tech for Purpose“ – digitale Technologien als Antwort auf gesellschaftliche Herausforderungen – kristallisiert sich hingegen als der richtige Weg für Europa heraus. Das bedeutet auch, öffentlich geförderte Forschung zu nutzen, um über disziplinäre Grenzen hinweg Kompetenzen zu bündeln und so die hochkomplexen und vielschichtigen Herausforderungen unserer Zeit anzugehen. Im DLR spiegelt sich dieser Gedanke beispielsweise in der Einrichtung eines Querschnittsbereichs „Digitalisierung“ wider. In dessen Rahmen arbeiten Forscherinnen und Forscher aus Luftfahrt, Raumfahrt, Energie, Verkehr und Sicherheit gemeinsam an Themen wie Digitalisierung in der Wirtschaft oder der intelligenten Mobilität. Hinter dem Ansatz „Tech for Purpose“ steckt aber auch die Forderung, dass wir ganz neue und mutige Wege in der Forschungsförderung gehen müssen.

Wollen wir den relativen „Stillstand“ im Hinblick auf digitale Technologien in Deutschland und Europa überwinden, brauchen wir mehr Blue Sky-Research, Risikokapital oder neue Strukturen, wie die jüngst beschlossene „Agentur für Sprunginnovationen“ in Deutschland.

Prof. Dr. Pascale Ehrenfreund auf dem Wirtschaftsgipfel Deutschland

Keynote »DIE ZUKUNFT LIEGT IN DEN STERNEN« und Spotlight »PRIVATISIERTE UTOPIE« mit Manfred Jaumann, Airbus Space Systems Vice President, Head of Microgravity Payloads & Sounding Rockets

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