Meinung und Hintergrund

Thomas Rau: Alles ist endlich, nur die Folgen sind für immer.
11
Sep

Alles ist endlich, nur die Folgen sind für immer.

Ein Gastbeitrag von Thomas Rau, Architekt, Gründer und Geschäftsführer von Turntoo. Er nimmt am Podium »WIRTSCHAFT IM WANDEL« mit André Schwämmlein (Co-Gründer und Geschäftsführer FlixBus), Christoph Bornschein (CEO Torben, Lucie und die gelbe Gefahr) und Carsten Schmidt (CEO Sky Deutschland GmbH) teil.

Unser gegenwärtiges Wirtschaftssystem funktioniert nach dem Prinzip: Rohstoffe gewinnen, verarbeiten, gebrauchen und wegwerfen. Doch unsere Ressourcen sind endlich. Wollen wir uns und unserem Planeten eine Zukunft ermöglichen, muss es langfristig eine echte Alternative zu unserer Raubbaugesellschaft geben.

Deshalb müssen wir den Schritt machen zur Circular Economy – wir brauchen ein neues Wirtschaftssystem das darauf ausgerichtet ist endliche Ressourcen unendlich nutzbar zu machen und Abfälle der Vergangenheit angehören lässt. Dafür haben wir das sogenannte Turntoo-Modell entwickelt, das aus einer Reihe van Bausteinen besteht die dies ermöglichen: neue Geschäftsmodelle in denen der Konsument nicht länger Eigentümer, sondern Benutzer von Produkten ist  – „Produkt als Service“; neues Design, dass darauf ausgerichtet ist Material in seinem Wert zu erhalten; eine konsequente Registrierung von Material in einem Materialpass und schließlich „Material als Service“.

Davon profitieren alle: die Konsumenten, die Produzenten und die Erde.

Mit der Umsetzung dieser Vision begannen wir vor zehn Jahren als wir unser  Architekturbüro in Amsterdam neu einrichten wollten. Für die Beleuchtung wandten wir uns an Lichtfabrikant Philips mit der Frage: Wir möchten keine Glühbirnen oder Leuchtstoffröhren kaufen, sondern Licht. Die Elektrizitätsrechnung sollte durch Philips bezahlt werden, auch das Reparieren und der Austausch von Lampen sollte so Teil der Dienstleistung sein.

Gemeinsam entwickelten wir das Modell „Licht als Service“ und die Vorteile waren immens: Mit der hypermodernen Installation sank der Energieverbrauch um beinahe 50 Prozent. Der Unterhalt lag in der Verantwortung von Philips, und unser Büro brauchte kein riesiges Investitionsbudget, sondern bezahlte fortan einen Monatsbetrag für die Dienstleistung. Am Ende der Vertragsdauer nahm Philips die gebrauchten Lampen zurück um damit neue Lampen zu produzieren. Der Pilot mit Philips wurde so erfolgreich, dass Philips eine Abteilung für „Circular Lighting” einrichtete. Inzwischen arbeitet u.a. auch der Flughafen in Amsterdam mit diesem Modell.

Bei vielen modernen Produkten es ist Absicht, dass sie nicht lange halten, denn der Neukauf bedeutet erneuten Umsatz. Beim „Produkt als Service“ entsteht ein neues Geschäftsmodell in dem es lohnt langlebige Produkte herzustellen.

Neben neuen Geschäftsmodellen spielt auch das Design für die Langlebigkeit der Produkte und den Materialerhalt eine entscheidende Rolle.

So entwickeln wir Gebäude mit dem Anspruch, so viel Material wie möglich für die Zukunft zu sichern. Die stählerne Dachkonstruktion eines Bürogebäudes konstruierten wir gemeinsam mit einem Achterbahnbauer. Das Resultat: das Dach ist leicht zu demontieren und kann an anderer Stelle wieder aufgebaut werden, außerdem beträgt die Materialeinsparung im Vergleich zu herkömmlichen Lösungen mehr als 30 Prozent. Natürlich ist das Gebäude nicht nur „circular“, es ist auch energiepositiv und mit einem Materialpass ausgestattet, darin wird jedes Gebäudeteil sorgfältig dokumentiert, um die erneute Nutzung zu erleichtern. Denn „Abfall ist Material ohne Identität“.

Da wir davon überzeugt sind, dass jedes Gebäude, ja jedes Produkt, einen solchen Pass bekommen sollte, haben wir gemeinsam mit Partnern Madaster gegründet – eine öffentlichen open-source Plattform, deren Software einen detaillierten  Materialpass erstellt und u.a. den Materialwert eines Gebäudes errechnet. Vor kurzem gewann Madaster den Digital Top 50 Award, der von Google, McKinsey und Rocket Internet vergeben wird. Das Urteil der Jury: Das ist eine Innovation, die das System verändern wird.

Mehr Informationen auf dem Wirtschaftsgipfel Deutschland und in dem neuen Buch von Thomas Rau und Sabine Oberhuber:
MATERIAL MATTERS – Wie wir es schaffen, die Ressourcenverschwendung zu beenden, die Wirtschaft zu motivieren, bessere Produkte zu erzeugen, und wie Unternehmen, Verbraucher und die Umwelt davon profitieren.

Thomas Rau auf dem Wirtschaftsgipfel Deutschland

PODIUM »WIRTSCHAFT IM WANDEL« – Deutschland im Digitalisierungsrückstand? Oder sind die Unternehmen innovativ genug?
Mit Andre Schwämmlein, Christoph Bornschein, Carsten Schmidt, Thomas Rau

Die komplette Agenda finden Sie hier.