28
Feb

Orientierung geben in volatilen Zeiten – Woran orientieren sich die Menschen?

by Thomas Balgheim, Management Consultant & Coach, Balgheim Consult

Mehr Streiks, mehr Konfrontation, der Zugewinn polarisierender und extremer Parteien. Eine wichtige Säule der Erfolge in der Vergangenheit, der gesellschaftliche Zusammenhalt in Deutschland nimmt derzeit ab. In volatilen Zeiten, geprägt von großen technologischen Umbrüchen, Kriegen, Veränderungen der globalen Zusammenarbeit und Klimaveränderungen suchen die Menschen Orientierung. Je weniger sie diese finden, umso offener sind sie für vermeintlich einfache Antworten und fokussieren sich stärker auf ihre eigenen, unmittelbaren Bedürfnisse. Eine Entwicklung, die man auf der ganzen Welt sieht und in der Vergangenheit, immer wieder in Phasen des technologischen Umbruchs gesehen hat.

Doch woran orientieren sich die Menschen? Neben Familie und Freunden sind es insbesondere Institutionen und besondere Berufsgruppen. Gemäß Umfragen von Forsa und Statista genießen Ärzte, Polizei, Gerichte und Universitäten weiterhin das größte Vertrauen, dicht gefolgt von den eigenen Arbeitgebern! Auch das Edelmann Trust Barometer zeigt eine, über die letzten Jahre, immer weiter zunehmende Rolle des Arbeitgebers für die Orientierung der Menschen auf. Dort gaben die Menschen den Arbeitgeber als die glaubwürdigste Informationsquelle für gesellschaftliche Themen, weit vor Politik, Medien und Sozial Media an. Weiterhin auffällig in diesen Umfragen: der eigene Arbeitgeber ist eine der wenigen Institutionen, die in den letzten Jahren einen erheblichen Vertrauenszuwachs hat.

Diese zunehmende Rolle stellt Unternehmen und Führungskräfte aber vor vollkommen neue Herausforderungen. Sie sind mit einer Erwartungshaltung konfrontiert, die über das begrenzte Umfeld des Unternehmens und eigenen Markts hinaus geht. Gleichzeitig nimmt die Loyalität zu Arbeitgebern ab und die Bereitschaft zu wechseln wächst. Die Mitarbeitenden erwarten „mehr“ von Arbeitgebern, wie Trendthemen wie „Purpose“ und „Why“ zeigen. Und dieses „mehr“ bezieht sich nicht so sehr auf harte Faktoren wie Entlohnung oder Arbeitszeiten. Insofern scheint der Wunsch nach Orientierung damit im Zusammenhang zu stehen.

Doch wie Orientierung geben, wenn Unternehmen selbst mit schnell wechselnden Herausforderungen, Veränderungen und Krisen konfrontiert sind? Durch agile Arbeitsformen versuchen Unternehmen eine höhere Flexibilität und schnelleer Reaktionen auf die Dynamik in den Märkten zu bekommen. Themen wie Nachhaltigkeit und künstliche Intelligenz sorgen für massive Veränderungen in Arbeitsformen und Produktionsweisen von ganzen Branchen. Unternehmen müssen ihre Mitarbeitenden mit großen Veränderungen konfrontieren und erwarten eine hohe Bereitschaft für Flexibilität und das Neue. Damit tragen sie im ersten Schritt doch sogar zur Verunsicherung der Menschen bei, trotzdem haben sie in den letzten Jahren an Vertrauen gewonnen.

Ich habe mein ganzes Berufsleben Unternehmen in großen Veränderungssituationen begleitet und gelernt, wie wichtig es dabei ist, Orientierung durch Kommunikation und Handeln zu geben. Basis hierfür ist ein Zielbild, dass in unwägbaren Zeiten mehr ein Rahmen ist, innerhalb dessen man sich bewegt. Einzelne Aktivitäten und Herausforderungen müssen immer wieder damit in den Zusammenhang gesetzt werden. Szenariotechniken, strategische Handlungsfelder, Leuchtturmprojekte sowie Reflexionsworkshops sind nur einige der Werkzeuge, die Unternehmen dabei im Rahmen einer guten Strategiearbeit einsetzen. Bei besonders komplexen Themen bietet sich auch die Nutzung und Kommunikation von Beobachtungsmatrizen an.

Unwägbarkeiten, die Notwendigkeit für Anpassungen und auch Fehler müssen angesprochen werden. Orientierung geben, bedeutet nicht Probleme zu leugnen. Mitarbeitende erkennen diese oftmals als erstes. Orientierung geben bedeutet vielmehr Offenheit und die Situation, den Zusammenhang aufzuzeigen und das Handeln damit in Kontext zu stellen. Basis ist aber das Vertrauen in die gemeinsame Leistungsfähigkeit, diese Herausforderungen zu meistern. Vielleicht ist dies auch eine Anregung für die Politik und Medien?

Wer Orientierung geben will, muss sich selbst orientieren, am besten geschieht dies durch Dialog und Austausch. Der Wirtschaftsgipfel Deutschland am 21. Juni 2024 in Fürth bietet dazu eine gute Gelegenheit. Ich werde da sein und freue mich auf den Austausch mit Ihnen.